Konflikte als Entwicklungshelfer
„Ein personaler Konflikt entsteht, wenn die Befriedigung eines Bedürfnisses gefährdet ist. Durch einen Konflikt können wir unsere Bedürfnisse klären und einen Weg finden diese dann auch zu befriedigen.“ |
In dieser Aussage findet sich eine andere Sicht zum Konflikt wieder. Im Konflikt, so beschwerlich er auch ist, liegt die Chance für eine Entwicklung. Konflikte können bewirken, dass wir auf unserem Weg ein Stück weiterkommen. So können Erwachsenen alte Muster oder Einschränkungen kennen lernen oder das Kind kann einen neuen Weg finden, wie es mit bestimmten Problemen besser zurechtkommt. Voraussetzung ist hier ein Zugang zu unseren eigenen Bedürfnissen, die Fähigkeit diese wahrzunehmen, zu verhandeln und die innere Erlaubnis, sie auch zufrieden zu stellen.
Das Bedürfnismodell, welches diesem Ansatz zu Grunde liegt geht davon aus, dass wir Menschen als soziale Wesen soziale Grundbedürfnisse haben. Die Bedürfnisse entstehen nicht aus einem Mangel. Sie sind von Geburt an da und sorgen dafür dass es uns „gut geht“. Bedürfnisse sind zentral mit unserem Zusammenleben verbunden. Sie sind nicht „egoistisch“ sondern brauchen den Nächsten um sie zu befriedigen. Bedürfnisse sind nicht ökonomisch auf Dinge zu reduzieren und dann in eine Hierarchie von Bedarfen zu stellen. Dies haben Rene Spitz, Erich Fromm oder Victor Frankl schon vor der spektakulären Bedürfnisspyramide Maslows festgestellt. Unter unmenschlichsten Bedingungen wurden die Bedürfnisse nach Liebe, Anerkennung, Sicherheit, Autonomie, Sinn und Orientierung gelebt.
Konflikte, erleben viele Menschen als unangenehm. Leider ist es so, dass wir oft, statt in eine Verhandlung über unsere Bedürfnisse, in Verhaltensmuster und/ oder Widerstände geraden, die verhindern, dass ein konstruktiver Entwicklungsprozess stattfindet. Wir nutzen damit den Konflikt nicht, sondern suchen nach Vermeidung in der irrigen Annahme, dass Konflikte etwas Falsches seien. Diese „Annahmen“ entstehen zum Einen aus persönlichen Erfahrungen, die mit unangenehmen Gefühlen, wie z.B. Scham, Hass, Angst, verbunden sind. Zum Anderen werden uns diese Annahmen „kulturell“ vermittelt. Den Begriff Kultur verwende ich hier, als einen Vorgang mit dem unser Denken, Fühlen und Handeln begründet wird. Wir lernen im Laufe unseres Lebens unterschiedliche Kulturen kennen. Die prägendsten Kulturen werden in der Primärsozialisation durch Eltern und durch die Peergruppe angeeignet. Erleben Kinder ein Elternhaus oder eine Schule in dem Konflikte wichtig sind und auch bearbeitet werden können, so haben sie einen anderen Zugang zum Streit. Sie verfügen über Mittel damit konstruktiv umzugehen. Wurden Konflikte vermieden, ständig „Harmonie“ produziert, so entwickelt sich im Kind oder auch Erwachsenen eine Kultur, die Konflikte als „schwer“ und „ zu vermeiden“ betrachtet. Leider hat dies die fatale Folge, dass keine Handlungskompetenz entwickelt und verankert wird.
Es werden:
- Wichtige Gefühle für ein gelingendes Leben abgewertet und nicht genutzt.
- Wichtige Bedürfnisse des menschlichen Zusammenlebens negiert.
- Statt konstruktiv mit dem Konflikt umzugehen, destruktive Wege gewählt. So die Gewalt sich selbst oder anderen gegenüber.
Wir brauchen einen anderen Zugang zum Konflikt. Die Welt in der unsere Kinder aufwachsen braucht Erlaubnisse, die ein mehr an Gefühle, klarere Grenzen, mehr Gespräche. erlaubt. Wir brauchen alltägliche Rituale, die uns darauf aufmerksam machen, dass wir neu anfangen, neu verhandeln, neu miteinander reden können. In Unternehmen braucht es ebenfalls Räume um Konflikte auszutragen. Vorauseilender Gehorsam, Anpassung und unsinniger Konkurrenzkampf kostet der Wirtschaft Unsummen. In Organisationen, die sich mit den Konflikten auf dieser Welt beschäftigen, gibt es ähnliche Tendenzen. Es werden Konflikte als lästig betrachtet und selten konstruktiv bearbeitet. „Man hofft, dass er vorbei gehen möge.“ Nur leider ist dem nicht so.
Mittel die dazu helfen und unterstützend sein können: rechtzeitiges Wahrnehmen, konstruktive Kommunikation, Konfliktberatung, Konfrontationstechniken, gewaltfreier Widerstand, Zivilcourage, Mediation, Team- und Organisationsentwicklung,….
Kontakt: Karl-Heinz Bittl, kontakt(at)eiccc.org